Zerstören, kassieren, reparieren

Zerstören, kassieren, reparieren

Mit der Schaffung des neuen Gewerbegebiets für Logistikunternehmen „Am Weißen Weg“ verbinden viele Lokalpolitiker große Hoffnungen für eine positive Entwicklung Alsfelds.

Etliche dieser Hoffnungen sind auf Sand gebaut. 

Gar nicht bestritten werden die kommenden Umweltbelastungen durch die die Versiegelung einer Fläche von 440.000 qm und die Zunahme des LKW-Verkehrs und der PKW der Einpendler, die dort arbeiten sollen. Aber die, die auf Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze hoffen, nehmen das so in Kauf.

Manchmal entspringt dieser Hoffnung eine eigenartige Logik. So heißt es in einem Kommentar der Lokalpresse, dass die Einnahmen der Stadt aus dem Gewerbegebiet in den Klimaschutz investiert werden könnten. Also erst zerstören, dann kassieren und dann nach Möglichkeit reparieren, was man zerstört hat. Macht das Sinn?

CDU und SPD hoffen auf viele neue Arbeitsplätze, von bis zu tausend ist die Rede, und so preisen sie deshalb das Projekt Gewerbegebiet. Aber auch diese Hoffnung ist mit etlichen Fragezeichen versehen. DHL ist im Vergleich zu Amazon kein Musterknabe in Sachen guter Arbeit. So beschäftigt auch DHL nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Subunternehmen, in denen für die Beschäftigten nicht immer die Tarifverträge zwischen verd.di und DHL gelten. Die Beschäftigung zumeist einfacher Arbeiten im Lager liegt entweder im Niedriglohnbereich oder in dessen Nähe.

Manche Befürworter der Logistiker in Alsfeld hoffen darauf, dass weniger Alsfelderinnen und Alsfelder zur Arbeit auspendeln müssten. Das sei gut für die Menschen und gut für die Umwelt. Nach der Gemeindestatistik von 2020 hatte Alsfeld 6.063 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Mehr als die Hälfte arbeitet außerhalb Alsfelds (3.323) und pendelt zur Arbeit. Zumeist gibt es im Vogelsberg relativ wenig anspruchsvolle Jobs und die Löhne liegen hier unterhalb des hessischen Durchschnitts. Es ist also anzunehmen, dass von den Alsfelder Auspendlern kaum jemand für einen Lagerjob bei den Logistikern eine bessere Arbeit außerhalb aufgibt. Gleichzeitig pendeln 4.142 Menschen zur Arbeit nach Alsfeld ein. Mit bis zu 1000 neuen Jobs würde sich die Einpendlerquote noch erhöhen. 1000 PKW mehr, die jede Nacht zur Arbeit kommen und am frühen Morgen dann wieder fahren – und nichts ist mit dem Umweltschutz durch weniger Pendler.

Die nahe Zukunft könnte aber noch weitere Überraschungen bereit halten. Viele Firmen haben Probleme, ausreichend Arbeitskräfte für ihre Unternehmen zu finden. Das erhöht den Druck für die Einführung IT-gestützte Automatisierung. In der Lagerorganisation schreitet dies besonders rasch voran. Und was, wenn dann die anvisierten Arbeitskräfte a) nicht gefunden und b) auch gar nicht mehr gebraucht werden?

Das Wachstum der Wirtschaft gilt bisher als Garant unseres hiesigen Wohlstands. 

So heißt das Credo von CDU und SPD: Die Wirtschaft in Alsfeld muss wachsen und Alsfeld muss wachsen, denn groß ist gut und klein ist von Übel.

Die vermehrte Industrieproduktion bedeutet mehr Ressourcenverbrauch und steigende Umwelt- und Klimabelastung. Aber noch schlimmer, seit vielen Jahren stockt in allen Industrienationen das Wirtschaftswachstum, trotz der Bemühungen der Regierungen und Notenbanken, höhere Wachstumsraten zu generieren. 

So könnten sich die hohen Erwartungen der Befürworter eines großen Gewerbegebiets als Tanz um das Goldene Kalb erweisen.